Was steckt eigentlich hinter dem Beruf „Musiker/in“ in Österreich? Und wie viel Musik wird hier wirklich gemacht? Die selbstständigen Musiker/innen Verena Rauch und Simon Lichtenegger erzählen von 60h-Arbeitswochen, der „Erwartung-Spotify“, fragwürdigen Musikwünschen und Musen, die spätnachts vorbeischauen.
Ein Interview von Sabrina Rosenmayer vom 21. Dezember 2023.
Es ist 10:45 Uhr. In der Schimmelgasse im 3. Wiener Gemeindebezirk wird fleißig gearbeitet. In den licht&rauch studios – der kleinen Musikschule von Verena Rauch und Simon Lichtenegger – gibt es immer etwas zu tun. Die Tür zu den „studios“ ist offen für Schüler/innen und Besuche. Drinnen angekommen steht man gleich im ersten Unterrichtsraum. Equipment über Equipment, Instrumente über Instrumente. Schon seit über vier Jahren arbeiten Verena und Simon an ihren studios, die einen großen Teil ihres Berufslebens ausmachen. Der Wunsch einer Musikschule ist schon 2017/18 entstanden. „2019 endlich haben wir dann unsere studios angemietet“, erzählt Verena. Aus dem Nebenraum ist eine leise E-Gitarre zu hören. „Simon! Kommst du?“ – „Ja ich mach nur schnell die Aufnahme fertig!“. Sowas kommt öfter vor.
Es ist mittlerweile 11:00 Uhr und die ersten To-Dos des Tages sind schon fertig: Emails, Booking, Recordings und nicht zu vergessen: Buchhaltung. Dinge, mit denen man sich eben so beschäftigt als Musiker/in. Nicht immer, aber doch irgendwie meistens. Nun ist aber erst einmal Zeit für ein Interview. Simons Recording ist fertig, Verena ist schon gespannt. Seit 2016 sind sie als Duo licht&rauch unterwegs. Ihre Musik ist gekennzeichnet durch poppige Einflüsse, Soul und Funk. Auch andere Genres und Musiker/innen dürfen gerne mal mitmischen, so wie in ihrer aktuellen Single „Belief“. Aber wie ist das alles eigentlich so? Das Leben als Musiker/in? Verena erzählt aus ihrem Alltag: „Also die meiste Zeit, sagen wir so 80% des Monats, beschäftige ich mich eigentlich mit administrativen Tätigkeiten. Du weißt schon, Rechnungen schreiben, Buchhaltung, Booking, Mails beantworten. Und dann wären da noch die 20%, in denen ich musiziere“. Simon nickt zustimmend. Zwischen Administration, Musizieren, Proben… „Wo da genau die Grenze ist zwischen Musizieren als Freizeit und Musizieren als Handwerk, das weiß ich nicht“, fügt er hinzu. Wo da die Grenze ist? Eine wohl berechtigte Frage, auf die niemand spontan eine Antwort hat.
Die Blicke schweifen über die Einrichtung der kleinen, liebevoll eingerichteten Musikschule. Musikequipment soweit das Auge reicht. Ein Handy samt Kopfhörern liegt auch auf dem Tisch. Wie wird das eigentlich finanziert? Und wenn wir schon beim Handy sind: Was für eine Rolle spielt Musik-Streaming wie etwa „Spotify“ hier? Fast wie abgesprochen meinen die beiden: „Das ist saisonabhängig“. Im Sommer und Winter sei man viel auf Gigs unterwegs, während von Herbst bis Frühling vor allem die Musikstunden in den studios stattfinden. Zu tun ist aber sowieso immer etwas. Die beiden erzählen von 60h-Wochen und Arbeitstagen bis 22:00 oder gar 23:00 Uhr. Danach muss jedoch noch lange nicht Schluss sein: Verena erzählt, wie Simon spätnachts oft noch in den studios bleibt, um Recordings oder Musikstücke fertig zu machen. Manchmal sogar bis 02:00 Uhr Früh – „Dann halt, wenn die Muse vorbeischaut“, kontert Simon lachend. Untertags ist oft zu viel zu tun, da muss man zeitlich flexibel sein und ausweichen. Genau das sei aber auch das Schöne am Beruf, der weit entfernt von einem klassischen „9-to-5-Job“ ist.
Und was ist nun mit Spotify? Nun ja, da erzählt Verena, dass sie damit bisher in etwa 5€ verdient hätten, wenn überhaupt. „Wir haben Spotify, weil es irgendwie eine Erwartung der Leute ist, dass wir das haben. Es ist irgendwie als Marketing zu verstehen“. Schon bald ist Jahreswechsel. Mit dem neuen Jahr kommt Spotify nun eine neue Regelung für die Monetarisierung: Unter 1000 Streams im Jahr bedeutet ab 2024, dass keine Auszahlungen mehr an die jeweiligen Musiker/innen erfolgen. Dies wird voraussichtlich auch Verena und Simon als kleine Independent-Künstler/innen betreffen. „Für uns fällt da ja nicht so viel Verdienst weg. Aber ich finde es grundsätzlich eine Katastrophe. Das sendet einfach ein völlig falsches Signal“, meint Verena, verständlicherweise etwas verdutzt. Streaming-Plattformen wären aber dennoch in Ordnung. „Es ist einfach zeitgemäß“, fügt Simon hinzu. „Niemand fragt bei Auftritten nach CDs. Aber: Die Leute fragen nach deinem Spotify. Da hat sich schon viel getan in der Hinsicht. Und nicht nur Negatives“.
Was nämlich um einiges schlimmer ist, als Musikstreaming-Plattformen, ist für die beiden ganz klar: Das Radio. In der österreichischen Radiolandschaft hätte man als nationale/r Künstler/in eigentlich so gut wie keine Chance, erzählen die beiden fast im selben Wortlaut. „Ich boykottiere Radio – naja, bis auf einen Sender vielleicht“, sagt Verena entschlossen. Eine überraschende Wendung im Gespräch. „Nirgends ist es für nationale Künstler/innen im Radio so schwer wie in Österreich und Deutschland“, bestätigt Simon etwas resigniert. Mehr wollen die beiden nicht darüber erzählen. Es würde einfach zu lange dauern, den Frust diesbezüglich in Worte zu fassen. Dann reden wir doch über was anderes.
Wie wäre es mit Auftritten? Nun, ja. Hier teilen die beiden gemischte Erfahrungen. Einerseits wirklich positive Eindrücke, andererseits auch negative Erinnerungen an Gigs. Mal muss die Bühne selbst aufgebaut werden, mal steigen Leute auf das mitgebrachte Equipment. Unbezahlte Gigs, bei denen du „nichts wert bist“, denn „du kostest ja nichts“. Nicht zu vergessen: Manch fragwürdiger Musikwunsch. Von „Spielts mal einen Schlager“ über „Spielts ihr auch richtige Musik?“ – alles schon gehört. Aber auch die positiven Erfahrungen dürfe man nicht vergessen. Sehr bemühte Veranstalter/innen und nette Zuhörer/innen, die einem bestätigen, dass man diesen Beruf wirklich gerne hat und nach wie vor dranbleiben möchte.
Mittlerweile ist es 12:00 Uhr, die ersten Musikstunden des Tages starten bald. Schauen wir doch nochmal auf den Beruf „Musiker/in“ und was es dafür braucht. „Du brauchst auf jeden Fall Geschäftssinn“, so Verena überzeugt. Pragmatisches Denken wohl oft noch mehr, als kreatives. „Und du solltest wissen, dass du für den Beruf brennen musst“, fügt Simon hinzu. Beide nicken. Und was könnte den Beruf vielleicht noch besser machen? „Wenn die Leute sehen würden, dass es nicht Talent ist, das sie hören, sondern jahrelange, harte Arbeit“.
Zum Weiterlesen:
Sabrina hat Musikwissenschaft an der Universität Wien studiert und
bringt große Begeisterung für Kunst und Kultur mit. In ihrer Freizeit
spielt sie Gitarre, Bass und Guitarlele. Außerdem studiert sie gerade
noch Publizistik- und Kommunikationswissenschaft.
In den licht&rauch studios ist sie die helfende Hand für Social
Media & Organisatorisches.
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